Gewalt durch Sprache Narzissten, andere toxische Menschen und ihre Manipulationstechniken

Fragen beantworten. So einfach – oder nicht?

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Stell dir vor, du stellst deinem Partner eine Frage. Eine einfache Frage wie, ob er nach seiner Arbeit zum Abendessen kommt. Eine Frage, die als Antwort nur ein Nein oder ein Ja erfordert. Vielleicht bei einem Nein noch eine Erklärung, dass dein Partner später kommt, weil er noch zum Sport geht, und die Ansage, dass du ruhig zuvor schon essen kannst.

Doch diese Antwort kommt nicht. Es kommt stattdessen ein „Ich weiß nicht“. Du fragst, warum dein Partner nicht weiß, wann er heimkehrt. Die Antwort: „Es kann immer etwas dazwischenkommen.“ Darauf bittest du deinen Partner, dass er sich melden soll, wenn er absehen kann, wann er nach Hause kommt. Dann könntet ihr ja noch zusammen essen.

Damit geht das Ganze jedoch erst richtig los. Dein Partner wird unwirsch und sagt, du seist kontrollierend, wenn du das von ihm verlangen würdest.

Drama vorprogrammiert

Du bist irritiert. Ist es in einer Partnerschaft nicht durchaus üblich, dass man sich zwischendurch melden kann, wenn man Bescheid weiß, wann man nach Hause kommt? Du wolltest mit deiner Frage doch keine Kontrolle ausüben, sondern nur wissen, ob du deinen Partner beim Abendessen „mitdenken“ sollst. Genau das sagst du auch.

Die nächste Antwort deines Partners: „Es ist wie immer. Um jedes Thema machst du ein großes Theater. Wenn ich dir sage, dass ich nicht weiß, wann ich komme, dann weiß ich eben nicht, wann ich komme.“

Du fühlst dich angegriffen. Du hast doch nur zwei einfache Fragen gestellt. Und jetzt wirft dein Partner dir vor, du seist kontrollierend und würdest immer Drama verursachen. Du versuchst, den Vorwurf abzuwehren: „Ich mache doch kein Theater, wenn ich Antworten auf meine Fragen haben möchte.“

Dein Partner: „Du bist so eine Drama-Queen. Du denkst mich nie dabei mit, wenn du mir solche Fragen stellst. Statt mich zu unterstützen und zu sagen, es ist alles okay, belastest du mich damit, dass ich zusätzlich an dich denken soll, wenn ich bei der Arbeit bin. Du weißt doch, wie anspruchsvoll meine Tätigkeit ist und wie sehr alles auf meinen Schultern lastet.“

Du fühlst dich schuldig. Das, was dir vorgeworfen wird, hattest du gar nicht bezweckt. Du wolltest doch nur wissen, ob du für deinen Partner mitkochen sollst, wenn du dir etwas zubereitest. Denn es wäre doch blöd, käme er nach Hause und du hättest nur für dich allein gekocht. Vor allem: An den Partner zu denken, ist für dich auch eine Form der Unterstützung.

Du sagst: „Ich weiß gar nicht, wie du jetzt darauf kommst. Ich sehe es als Unterstützung für dich, wenn ich für dich mitkoche. Es kann doch nicht eine so starke Belastung sein, mir mitzuteilen, ob ich das tun soll oder nicht.“

Dein Partner: „Du bist eben nicht wie ich. Du mit deinem Angestellten-Job und deiner Arbeitnehmermentalität. Ich muss so vieles bedenken, wenn ich dich da noch mitdenken soll, ist das eine zusätzliche Belastung. Ich verlange von dir mehr Unterstützung und nicht schon am Morgen solche elenden Diskussionen. Und jetzt fahre ich. Mach, was du willst. Mit mir brauchst du erstmal nicht zu rechnen.“

Narzissten oder anderen manipulativen Menschen eine vermeintlich einfache Frage zu stellen, die andere Menschen sofort mit Ja oder Nein beantworten würden, verursacht häufig solche oder ähnliche Dramen. Manchmal bekommst du auch keine Antwort oder nur eine anders unzureichende. Du bleibst zurück, ohne Klarheit zu haben.

Narzissten haben kein Interesse zu Antworten

In vielen Fällen sehen es Narzissten als „unter ihrer Würde“ an, auf deine berechtigten Fragen zu antworten. Wer bist du, dass du Rechenschaft oder Antworten verlangst? Außerdem, wie in dem Beispiel bereits deutlich wurde, ist es für sie eine Art von Kontrolle, wenn sie sich für dich festlegen müssen.

Die Folgen für dich

Du lernst auf diese Weise, dass es zum Streit führen kann oder im Drama mündet, wenn du einem Narzissten Fragen stellst und auf eine Antwort pochst. Um das zu verhindern, stellst du irgendwann keine Fragen mehr oder wählst zumindest sehr gezielt aus, wonach du fragst. Oder du versuchst, deine Fragen so zu formulieren, dass du nicht aneckst.

Narzissten konditionieren dich auf diese Weise, sie trainieren dir dein gewohntes Verhalten ab und gewinnen so Kontrolle über dich. Aus Furcht vor einem Konflikt veränderst du dich, du stellst die Handlungen deines Partners womöglich zudem nicht länger infrage. Er kann dann praktisch machen, was er will.

Die Veränderung in deinem Verhalten kann so weit gehen, dass du dich sogar scheust, anderen Menschen Fragen zu stellen. Denn du bist es mittlerweile gewöhnt, dass du damit nur aneckst.

Dauerhafte Manipulation

Dass es sich bei dieser Form dauerhafter Manipulation um psychische Gewalt handelt, wird rasch deutlich. Wer ständig überlegen muss, was er sagen kann, ohne einen Konflikt auszulösen, lebt in Furcht. In einer gesunden Beziehung – unabhängig, ob es sich dabei um eine Partnerschaft, Familienbande oder eine Freundschaft handelt – sollte man sich sicher fühlen, all das fragen zu können, was man möchte. Es verändert einen Menschen, wenn er das Gefühl hat, im übertragenen Sinn ständig auf Zehenspitzen laufen zu müssen.

Was kannst du tun?

Möchte dir jemand eine Frage nicht beantworten, kannst du nicht viel unternehmen. Aber: Du brauchst dich auch nicht erklären, warum du gerne eine Antwort auf deine Frage hättest. Hast du ähnliche Situationen wie oben mit einem bestimmten Menschen bereits mehrfach erlebt und weißt, dass jedes überflüssige Wort zu Angriffen gegen dich, langen Diskussionen, kurz: zum Drama führen kann, kannst du deine Frage noch einmal, unter Umständen auch zweimal wiederholen, solltest du zunächst eine unklare Antwort bekommen. Und ich meine damit: Die Frage tatsächlich stupide zu wiederholen, ohne jedes weitere überflüssige Wort – möglichst in einem nüchternen Tonfall, so, als ob du eine Tonaufnahme mit dem immer gleichen Text abspielst. In deiner Stimme sollte kein Anflug von Wut, Vorwurf oder Genervtheit liegen. Bekommst du immer noch keine Antwort, gibst du dir (laut) selbst eine. Achte darauf, dass es sich um eine reine Feststellung handelt, die keinen Vorwurf oder Angriff enthält, zum Beispiel so:

„Nachdem du dich nicht klar geäußert hast, gehe ich davon aus, dass du nicht zum Essen kommst. Ich werde dich also nicht einplanen.“

Mit einer klaren Feststellung machst du dich nicht angreifbar. Du sagst deutlich, was für dich die Konsequenz ist, die du später natürlich auch umsetzen musst. Du triffst damit für dich eine Entscheidung – und das ist gut so. Denn du bist nicht für die andere Person verantwortlich. Diese Entscheidung muss ihr auch nicht gefallen.

Sollte die andere Person nun anfangen, dir Vorwürfe zu machen, lass dich auf keine Diskussion ein. Noch einmal: Du entscheidest, was du tust. Du musst dich dafür nicht rechtfertigen, zumal du ja mehrfach gefragt hast. Doch selbst Letzteres zu erklären, wäre bereits zu viel. Wenn du es mit einem Narzissten zu tun, ist weniger immer mehr.

Über die Autorin

Simone Harland
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