Narzissten und andere toxische Menschen stellen sich gerne als Opfer dar, auch wenn sie die Täter sind. Sie greifen dich an, wieder und wieder, machen sich auf Kosten deiner Schwächen lustig und wollen nicht hören, was du dazu zu sagen hast. Wirst du nach einer Weile berechtigterweise wütend, drehen sie den Spieß einfach um und sind auf einmal das Opfer. Du seist so gemein, du habest dich nicht unter Kontrolle, mit dir sei es nicht möglich, vernünftig zu reden, weil du ja sofort aufbrausen würdest. Und das, obwohl sie dich zuvor zur Weißglut getrieben haben.
Insbesondere verdeckte Narzissten (das sind die, die man nicht auf den ersten Blick erkennt, weil sie vermeintlich so freundlich, vielleicht sogar etwas demütig daherkommen) sind gut in dieser Täter-Opfer-Umkehr. Doch auch alle anderen Narzissten wenden diese Masche gerne an. Besonders gerne in der Öffentlichkeit. Sie machen respektlose Bemerkungen, getarnt als Witze, schneiden dir das Wort ab, weil du ja vermeintlich ohnehin nichts Wichtiges zum Thema beizutragen hast, oder ignorieren dich, obwohl ihr zusammen auf eine Veranstaltung gegangen seid.
Bist du das Ignorieren oder die Respektlosigkeiten leid und sagst etwas dazu, stellen dich Narzissten vor allen anderen vielleicht als übertrieben eifersüchtig, humorlos oder sogar bösartig dar. Und das Schlechte ist: Viele der anderen Anwesenden stellen sich auf die Seite des Angreifers. Weil sie oft nicht mitbekommen haben, was dir bereits widerfahren ist und du dich nur selbst verteidigst.
Deine Reaktion, insbesondere falls sie heftiger ausfällt, ist Wasser auf die Mühlen von Narzissten. Sie stehen im Mittelpunkt des Interesses, sie sind die Opfer, du bist die oder der Böse. Sie können damit unter Umständen weitere Angriffe gegen dich rechtfertigen oder sie dürfen sich von dir ab- und anderen zuwenden, ohne das Gesicht zu verlieren. Denn ihre Reaktion ist ja vermeintlich berechtigt. Du hingegen stehst unter Umständen allein da.
Was kannst du in solchen Situationen unternehmen? Das kommt darauf an. Ist das Kind bereits in den Brunnen gefallen und stellt sich ein Narzisst oder eine Narzisstin als dein Opfer dar, hilft es in der Regel nicht, anderen Anwesenden zu erklären, dass die Situation sich ganz anders entwickelt hat. Die anderen wollen sich ihre eigene Meinung bilden bzw. haben sie sich oft bereits gebildet
Das Sinnvollste ist, eine klare Grenze zu ziehen – unabhängig davon, was andere von dir denken mögen. Wenn es die Situation erlaubt, dreh dich um und geh. Ist das nicht möglich, ist es am besten zu schweigen, auf weitere Angriffe oder das Lamentieren des vermeintlichen Opfers nicht zu reagieren. Erkläre dich nicht, verteidige dich nicht, denn dadurch bietest du nur noch eine weitere Angriffsfläche.
Du kannst natürlich sagen, dass du die Situation anders siehst, doch das ist auch alles. Du kannst das Gespräch für dich zudem damit beenden, dass du keinen Sinn darin siehst weiter zu diskutieren, wenn die Wellen gerade hochschlagen. Besser sei es, darüber zu sprechen, wenn sich alle beruhigt hätten. Hast du deinen Standpunkt deutlich gemacht, weiche nicht von ihm ab, selbst wenn du bedrängt wirst. Mach deutlich, dass du nun bereits alles gesagt hast, was du sagen wolltest und bleib dabei.
Das mag dir zunächst unfassbar schwierig vorkommen – insbesondere, sollte es dir allgemein schwerfallen, Grenzen zu setzen. Aber auch, weil wir es gewöhnt sind, uns und unser Verhalten zu erklären – vor allem, wenn wir uns ungerecht behandelt fühlen. Doch Erklärungen bringen gegenüber Narzissten und ihren Mitläufern nichts. Du gerätst nur weiter unter Druck. Machst du dir das immer wieder klar, fällt es leichter, aus Gesprächen auszusteigen, die dich als Täter darstellen. Du kannst ein paar solcher Sätze (zum Beispiel: „Ich sehe keinen Sinn in der Fortführung des Gesprächs. Wir sollten uns zunächst alle beruhigen und können zu einem anderen Zeitpunkt darauf zurückkommen“) auswendig lernen und vielleicht sogar vor dem Spiegel einüben. Dann hast du sie parat, solltest du wieder in eine ähnliche Situation kommen.